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Berliner Mietendeckel

20. August 2019 | Rat § Recht
Marco Koehler im Interview zum Berliner Mietendeckel

Juristisch hinterfragt: Was bedeutet der Mietendeckel für Vermieter?

Rechtsanwalt Marco Koehler (Kanzlei Koehler_Ittner Legal Services) beantwortet brennende Fragen zum umstrittenen Berliner Mietendeckel.

Kommt der Berliner Mietendeckel?

Eine magische Glaskugel besitzen wir nicht, aber eine sozialpolitische Experteneinschätzung - und diese lautet:

Vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungsmärkte und aus Sorge um den „sozialen Frieden“ wird der Mietendeckel kommen.

Klar ist: der Berliner Senat betritt juristisches Neuland. Kein Wunder, dass das Thema sehr emotional diskutiert wird und insbesondere auf Seiten der Vermieter und Kapitalanleger Bedenken, Sorgen und viele Fragen hervorruft.

In unserem Interview im August 2019 beantwortet Rechtsanwalt Marco Koehler sachlich und lösungsorientiert, welche Rechte Vermieter haben, welche Risiken es gibt und welche kreativen Ansätze Immobilieneigentümer verfolgen können, um ihre Investments weiterhin vorteilhaft zu gestalten. Aufgrund seiner umfassenden Expertise in den Bereichen Immobilien-, Datenschutz- und Vertragsrecht, spricht Herr Koehler aus reichhaltiger Erfahrung und mit dem interessanten Fokus zum Querdenken.

Rechtliche Einschätzung

Die Regelungen des Eckpunktepapiers vom 18. Juni 2019 sind in verfassungsrechtlicher Sicht sehr umstritten.

ImmoKEY (IK):Herr Koehler, ist der Mietendeckel verfassungswidrig?

Marco Koehler (MK): Die Regelungen des Eckpunktepapiers sind in verfassungsrechtlicher Sicht sehr umstritten. Dies gilt insbesondere für die Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für eine Begrenzung der Mietenhöhe. Für das bürgerliche Mietrecht ist der Bund als Gesetzgeber zuständig. Auf diese Kompetenz stützt sich auch die „Mietpreisbremse“ des § 556d Abs. 1 BGB. Der Berliner Senat beabsichtigt, den „Mietendeckel“ auf die Landeskompetenz für die Regelung des Wohnungswesens zu stützen. Das Land Berlin wäre das bisher einzige Bundesland mit einer entsprechenden Regelung.

Weiterhin ist der Mietendeckel speziell mit Blick auf das Eigentumsgrundrecht der Vermieter in Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 23 Berliner Landesverfassung, die Vertragsfreiheit, die Berufsfreiheit und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kritisch zu hinterfragen.

Ich glaube, dass sowohl die Verfassungskonformität als auch die praktische Anwendung des geplanten Gesetzes zu umfangreichen Rechtsstreitigkeiten führen werden.

Und letztlich ist die Rückverlagerung des Geltungsbeginns auf einen Zeitpunkt vor Beschluss des Gesetzes verfassungsrechtlich ebenfalls problematisch. Eine Rückwirkung von Rechtsfolgen unterliegt engen Ausnahmevoraussetzungen.

Ich glaube, dass sowohl die Verfassungskonformität als auch die praktische Anwendung des geplanten Gesetzes (Mietendeckel) zu umfangreichen Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten sowie vor den Verwaltungsgerichten führen werden (Streitigkeiten zwischen Vermieter vs. Mieter; Verweigerungen von behördlichen Ausnahmegenehmigungen; Verhängung von Bußgeldern). Ob das in Aussicht gestellte Berliner Mietengesetz Bestand haben wird, wird am Ende voraussichtlich das Verfassungsgericht klären müssen. Daher meine Empfehlung an alle Vermieter und Eigentümer: stimmen Sie jegliche Aktivitäten vorher mit Ihren fachkompetenten Beratern ab.

IK: Viele Kritiker mahnen wirtschaftliche Negativfolgen des Mietendeckels an: Bauunternehmen, die Aufträge für Neubauten stornieren, Massenentlassungen in Bau- und Handwerksunternehmen, eine Prozesslawine durch Vertrags- und Entschädigungsklagen... Denken Sie, dass diese ausreichen, um den Mietendeckel noch abzuwenden?

MK: Nein! Die unterschiedlichen Interessengruppen (Mieterverbände, Immobilienwirtschaft, Verbände, Genossenschaften) sind dabei sich zu positionieren. Sie werden versuchen ihren Einfluss im Gesetzgebungsverfahren geltend zu machen. Schon allein vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungsmärkte und aus Sorge um den „sozialen Frieden“ wird der Mietendeckel kommen. Wie und in welcher Ausgestaltung werden wir dann sehen.

Mietobergrenze und Mieterhöhung

IK: Im Entwurf des Berliner Senats ist immer wieder von einer Mietobergrenze die Rede. Woran wird sich diese orientieren?

MK: Aus dem Eckpunktepapier ergeben sich die wesentlichen Inhalte des geplanten Gesetzes. Danach sieht der beschlossene „Mietendeckel“ ein Mietenmoratorium wie folgt vor:

Die Berliner Mieten dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht erhöht werden. Die Bestandsmieten werden für diesen Zeitraum auf den Stand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Eckpunktepapiers vom 18. Juni 2019 gedeckelt. Die konkrete Ermittlung der zulässigen Mietobergrenze wird noch im Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Es ist beabsichtigt die Mieten zu dem Zeitpunkt einzufrieren, an dem noch keine “Schieflage” auf dem Berliner Wohnungsmarkt bestand. Vorgeschlagen wurde das Jahr 2014. Eine Sonderregelung wird hierbei zum Thema 'Neubau' geschaffen.

IK: Thema Mieterhöhung: Angekündigt wurde, dass zumindest eine Anpassung an die Inflationsrate möglich sein könnte...

MK: Es stimmt, dass dieser Aspekt (Moratorium mit Inflationsausgleich oder festgelegter prozentualer Steigerung) in der Diskussion zur Ausgestaltung des Berliner Mietengesetzes erörtert wurde. Inwiefern eine solche landesrechtliche Regelung im Berliner Mietengesetz aufgenommen wird, bleibt abzuwarten. So richtig glauben daran kann ich jedoch nicht. Zum einen ist eine solche Indexmiete (siehe § 557b BGB) bereits vom Regelungsbereich des Bundesgesetzgebers erfasst. Warum es daher nochmal einer inhaltsgleichen landesrechtlichen Regelung bedarf, erschließt sich mir nicht. Zum anderen würde eine gleichlautende landesrechtliche Regelung die Frage nach der Zielsetzung bzw. der Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Eingreifens aufwerfen. Wir werden sehen, wie sich der Gesetzgeber entscheidet.

IK: Viele Mieter widersprechen Mieterhöhungen aktuell, auch durch Rückendeckung des Berliner Mietervereins. Wie kann ich als Vermieter auf eine Ablehnung reagieren?

Nur weil der Mieter einer Mieterhöhung nicht und nur teilweise zustimmt, kann der Vermieter den Mietvertrag nicht kündigen.

MK: Verweigert der Mieter die Zustimmung zur Mieterhöhung oder reagiert er auf ein entsprechendes Aufforderungsschreiben nicht, bleibt die letzte rechtmäßig getroffene Mietvereinbarung wirksam. Der Vermieter kann den Mietvertrag nicht kündigen, nur weil der Mieter einer Mieterhöhung nicht oder nur teilweise zustimmt. Seine einzige Möglichkeit, die gewünschte Vertragsänderung durchzusetzen, besteht darin, die Zustimmung beim Amtsgericht einzuklagen.

IK: Welche Risiken kommen auf mich zu, wenn ich als Vermieter die Miete einfach jetzt erhöhe und darauf hoffe, dass der Mietendeckel nicht wirklich kommt?

MK: Die möglichen Risiken sind Überwachung und Sanktion. Die zur Mietpreisprüfung bestimmten Stellen werden die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen überwachen und „erforderliche“ Maßnahmen treffen. Auch können Auskunfts-, Nachweis- oder Untersagungsverfügungen gegenüber Vermietern angeordnet werden. Ebenfalls können Ordnungsgelder verhängt werden.

Nach dem Eckpunktepapier können Verstöße gegen das Berliner Mietengesetz mit einem Ordnungsgeld von bis zu EUR 500.000,00 geahndet werden. Mieter können vermutete Verstöße der Vermieter bei den Bezirksämtern anzeigen.

Finanzielle Nachteile für Vermieter

IK: Was bedeutet es für mich als Vermieter, wenn meine finanzielle Kalkulation eng an die Miete gekoppelt war und ich diese nun rückwirkend senken muss? Genießen auch Vermieter Schutz bei finanziellen Härtefällen?

MK: Aus dem Eckpunktepapier geht hervor, dass bei wirtschaftlichen Härtefällen im Einzelfall abweichend Mieterhöhungen und höhere Mietvereinbarungen genehmigt werden können. Die Anträge sollen durch die Investitionsbank Berlin (IBB) geprüft und durch die für Wohnen zuständige Senatsverwaltung genehmigt werden. Im Falle eines genehmigten Härtefallantrages sollen wohnberechtigungsscheinberechtigte Mieter einen finanziellen Ausgleich erhalten. Der wirtschaftliche Härtefall muss nachgewiesen werden.

IK: Wäre eine Kündigung des Mieters bei wirtschaftlicher Verwertung aufgrund erheblicher finanzieller Nachteile möglich?

MK: Ja! Der Vermieter kann grundsätzlich kündigen, wenn das Mietverhältnis einen erheblichen Nachteil für eine angemessene wirtschaftliche Verwertung der Immobilie darstellt (§ 573 Abs.2 BGB). Jedoch kann die wirtschaftliche Verwertung eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn sie "angemessen" ist. Eine Angemessenheit ist dann zu bejahen, wenn die Verwertung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftig und sinnvoll und nicht lediglich spekulativ ist.

Praxisbeispiel für einen 'angemessenen' Kündigungsgrund: Die Geldmittel aus dem Verkauf sollen für die Unterhaltung, Altersversorgung, Herstellung von neuem Wohnraum oder Investitionen verwendet oder das Grundstück soll nach Beseitigung abbruchreifer Gebäude neu bebaut werden oder der Vermieter muss oder will die Immobilie grundlegend sanieren. Wohl auch fällt die praktische Unmöglichkeit eines Wohnungsverkaufs wegen einer besonders großen Differenz zwischen den erzielbaren Verkaufspreisen nicht vermieteter und vermieteter Wohnungen darunter.

Der Vermieter kann grundsätzlich kündigen, wenn das Mietverhältnis einen erheblichen Nachteil für eine angemessene wirtschaftliche Verwertung der Immobilie darstellt (§ 573 Abs.2 BGB). Die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, wird vom Gesetz jedoch ausdrücklich nicht als angemessene wirtschaftliche Verwertung angesehen.

Kreativer Umgang mit dem Mietendeckel

IK: Gehen wir davon aus, dass der Mietendeckel kommt. Als Anleger könnte man sich durchaus fragen, ob die Investition in Mietimmobilien als Renditeobjekt überhaupt noch Sinn macht. Welche Möglichkeiten der Vermietung gibt es, um mit dem Mietendeckel kreativ umzugehen bzw. das eigene Investment zu schützen?

MK: Die veränderte Rahmenbedingungen zwingen uns dazu altbewährte Handlungsmuster aufzubrechen. Sofern wir dies akzeptieren und uns den Herausforderungen kreativ stellen, meine ich, dass sich Investitionen in Mietimmobilien weiterhin lohnen.

Das Wohnen in den Metropolen verändert sich. Denken Sie über „neue“ Wohnformen nach, z.B. Senioren- und Studenten-WGs, möbliertes und/oder temporäres Wohnen mit Zusatz- oder Dienstleistungen oder möbliertes Wohnen mit Abstandszahlung.

Sofern wir uns den Herausforderungen kreativ stellen, meine ich, dass sich Investitionen in Mietimmobilien weiterhin lohnen.

Wir danken Herrn Koehler für das Interview.

Auf www.koehler-ittner.de finden Sie alle Kontaktmöglichkeiten sowie weitere Informationen zu den Aufgabengebieten der Kanzlei.

Hintergrund: der Berliner Mietendeckel im Detail

Berlin ist das erste Bundesland, das einen Mietendeckel beschlossen hat. Fünf Jahre lang sollen die Mieten für nicht preisgebundene Wohnungen in Berlin nicht erhöht werden dürfen - rückwirkend bereits zum Tag des Beschlusses am 18. Juni 2019.

Davon betroffen sind rund 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin, ausgenommen Sozialwohnungen und Neubau. Wobei noch zu definieren gilt, was als Neubau betrachtet wird. Zu hohe Mieten sollen, angeglichen an eine noch zu definierende Mietpreisobergrenze, rückwirkend gesenkt werden können. Bei Neuvermietung gilt der exakt gleiche Mietpreis wie zuvor.

Kritiker sprechen von einem verfassungswidrigen Gesetz und befürchten, dass der Mietendeckel langfristig Investoren abschrecken könnte, Sanierung und Neubau verhindert und somit die Wohnungsnot weiter verschärft.

Weitere Details zum Gesetzentwurf finden Sie in den Fragen und Antworten zum Mietendeckel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.

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